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Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens

Ziel des 1893 in Berlin gegründeten ”Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens” waren die Durchsetzung bereits erreichter staatsbürgerlicher Rechte und die Bekämpfung des Antisemitismus. Das Bekenntnis zur deutschen Nation stand im Vordergrund: Die Mitglieder verstanden sich primär als Bürger des Deutschen Reichs mit einer eigenen Religion. Diese Idee stand im Widerspruch zur Zionistenbewegung unter Führung Theodor Herzls, die einen eigenen jüdischen Staat forderte. Der Centralverein wollte das Selbstbewusstsein der Deutschen jüdischen Glaubens stärken und gleichzeitig die Bevölkerung über das Judentum aufklären, um auf antisemitische Propaganda zu reagieren.

Durch einen eigenen Verlag und die Herausgabe der Monatsschrift "Im deutschen Reich", 1922 von der wöchentlich erscheinenden "Central-Vereins-Zeitung" abgelöst, war der Verein publizistisch tätig. Bei antisemitischen Vorfällen protestierte der Verein oder klagte vor Gericht, die Mitglieder erhielten Rechtsbeistand. Obwohl sich der Verein unabhängig von politischen Parteien sah, unterstützte er bei Wahlen einzelne Kandidaten meist liberaler Parteien, die der Integration der Juden positiv gegenüberstanden.

1916 hatte der Verein neben 70.000 unmittelbaren Mitgliedern 200.000 weitere Mitglieder in angegliederten Verbänden. Zusammengerechnet war das fast die Hälfte der deutschen Bevölkerung jüdischen Glaubens in Deutschland. Dabei fand der Centralverein besonders im Bildungsbürgertum und in der Mittelschicht seine Anhänger. Als offizielle Interessenvertretung der Deutschen jüdischen Glaubens wurde der Verein auch von der Öffentlichkeit anerkannt.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten schränkte der Centralverein zwangsweise seine öffentliche Tätigkeit ein. Er konzentrierte sich auf Rechtsunterstützung und beriet in ökonomischen Fragen. Im Jahre 1935 mußte sich der Verein in "Central-Verein der Juden in Deutschland", 1936 in "Jüdischer Central-Verein" umbenennen. Einen Tag nach dem Novemberpogrom wurde der Centralverein verboten und in die "Reichsvertretung der Juden in Deutschland" überführt.

Katja Deinhardt
9. September 2015

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