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Die "Emser Depesche"

Am 2. Juli 1870 erfolgte die Bekanntmachung der Kandidatur des Erbprinzen Leopold (1835-1905) aus der süddeutschen Hohenzollern-Linie von Sigmaringen für den vakanten spanischen Thron. Die Vakanz war durch einen Putsch spanischer Militärs ausgelöst worden, in dessen Gefolge Königin Isabella von Bourbon (1830-1904) im September 1868 vertrieben worden war. Die Inthronisierung eines Hohenzollern in Spanien wurde in Frankreich als weiterer Machtzuwachs Preußens und als Gefahr angesehen.

Infolge französischer Proteste zog der Prinz seine Kandidatur am 12. Juli 1870 zurück. Der preußische König Wilhelm I. sah mit dem Thronverzicht die Angelegenheit als erledigt an, dies genügte der französischen Regierung aber nun nicht mehr: Sie versuchte Preußen eine empfindliche diplomatische Niederlage beizubringen, indem sie auch für die Zukunft einen Verzicht auf den spanischen Thron forderte.

Im Kurort Bad Ems verlangte am 13. Juli der französische Botschafter Vincent Graf von Benedetti (1817-1900) von Wilhelm I. im Auftrag seiner Regierung eine Garantie, dass der preußische König seine Zustimmung verweigere, sollten die Hohenzollern erneut eine Kandidatur anstreben. Wilhelm I. lehnte das französische Verlangen als unzumutbar ab und telegrafierte den Inhalt der Unterredung an Otto von Bismarck. Dieser veröffentliche noch am selben Tag die von ihm redigierte und gekürzte "Emser Depesche" mit den französischen Forderungen in verschärfter Form in der Presse. Sie erregt einen Sturm nationaler Entrüstung in Deutschland und Frankreich. Das Vorgehen Bismarcks stellte einen Affront dar, auf den Frankreich am 19. Juli 1870 mit der Kriegserklärung an Preußen reagierte. Bismarcks Kalkül, Preußen als Opfer einer vermeintlichen französischen Aggression hinzustellen und damit die übrigen Mächte aus dem Deutsch-Französischen Krieg herauszuhalten, ging auf: Kaiser Napoleon III. galt in der öffentlichen Meinung in Europa als Friedensbrecher.

Burkhard Asmuss / Arnulf Scriba
19. Oktober 2015

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