Die Nationalliberale Partei ging 1867 als eine Abspaltung aus der Deutschen Fortschrittspartei hervor und vertrat vor allem die Interessen des national eingestellten protestantischen Besitz- und Bildungsbürgertums. Die Nationalliberalen unterstützten die Gründung des Deutschen Kaiserreichs und setzten sich ebenso für einen Verfassungsstaat ein wie für den Ausbau parlamentarischer Rechte.
Im Jahrzehnt nach der Reichsgründung stellte die Nationalliberale Partei die stärkste Fraktion im Reichstag. Wirtschaftspolitisch begrüßten die Nationalliberalen die Umwandlung Deutschlands in einen modernen Industriestaat. Sie unterstützten Reichskanzler Otto von Bismarck bereitwillig im "Kulturkampf", folgten ihm beim "Sozialistengesetz" aber nur widerstrebend.
Die innerparteilichen Gegensätze traten mit Bismarcks Übergang zur Schutzzollpolitik 1877/78 offen hervor: Zunächst verließen die Anhänger des Schutzzolls 1879 die Fraktion. Im folgenden Jahr traten 28 führende Nationalliberale aus der Fraktion aus, weil sie die enge Bindung ihrer Parteiführer Karl Rudolf von Bennigsen und Johannes (seit 1897: von) Miquel (1828-1901) an Bismarcks Politik für "rückschrittlich" hielten. Seitdem bildeten die Nationalliberalen nur noch eine Partei mittlerer Größe.
Nach der Entlassung Bismarcks 1890 entwickelten sich die Nationalliberalen zur führenden Partei der deutschen Großindustrie und der Großbanken. Sie unterstützten die offensive Ausrichtung der deutschen Militär-, Flotten- und Kolonialpolitik und hatten enge Beziehungen zum Alldeutschen Verband und dem Deutschen Flottenverein. Innenpolitisch vollzog sich in der Partei jedoch unter Ernst Bassermann und Gustav Stresemann seit der Jahrhundertwende eine langsame Öffnung zu den links von den Nationalliberalen stehenden Parteien. Mit den Jahren sank der Stimmenanteil der Nationalliberalen von 30 Prozent (1871) auf 14 Prozent (1912).
Die Nationalliberale Partei war lange eine Honoratiorenpartei ohne festgefügte Organisationsstrukturen. Nach der Jahrhundertwende wandelte sie sich langsam zu einer modernen Partei mit einem dichten Vereinsnetz.
Im Ersten Weltkrieg forderten die Nationalliberalen weitreichende Annexionen und unterstützten den uneingeschränkten U-Boot-Krieg. Trotz der parlamentarischen Zusammenarbeit im Interfraktionellen Ausschuß lehnten die Nationalliberalen die Friedensresolution von SPD, Zentrum und Fortschrittspartei vom Juli 1917 ab. Mit der Verschlechterung der militärischen Lage vertieften sich die innerparteilichen Gegensätze. Der linke Parteiflügel orientierte sich zur Reichstagsmehrheit und forderte innenpolitische Reformen, die zu einer Parlamentarisierung im Reich führen sollten.
Während der Novemberrevolution 1918 zerfiel die Nationalliberale Partei: Ihr rechter Flügel schloß sich der Deutschnationalen Volkspartei an, ihr linker Flügel der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), die an Stresemann orientierte Mehrheit gründete mit ihm die Deutsche Volkspartei (DVP).