Nach Gründung des Deutschen Reichs 1871 wurde der Reichstag nach dem allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrecht gewählt; wahlberechtigt waren alle Männer ab 25 Jahren. Demgegenüber hielt vor allem Preußen an seinem ungleichen, indirekten Dreiklassenwahlrecht fest, nach dem das Abgeordnetenhaus und die Gemeindevertretungen gewählt wurden. Dieses 1849 von König Friedrich Wilhelm IV. verordnete Wahlrecht teilte die Wähler nach ihrem direkten Steueraufkommen in drei Klassen ein. Die erste Klasse der am höchsten Besteuerten umfasste 1908 nur vier Prozent der Wähler, durfte aber ebenso viele Wahlmänner stellen wie die dritte Klasse mit rund 82 Prozent der Wahlberechtigten.
Zudem begünstigte die Wahlkreiseinteilung die dünnbesiedelten Agrargebiete im Osten. Bei ihren Protesten gegen das undemokratische Dreiklassenwahlrecht mit seiner öffentlichen Stimmabgabe wurden die Sozialdemokraten von fortschrittlichen Liberalen unterstützt. Trotz der massiven Benachteiligung errang die SPD ihre ersten Sitze bei der preußischen Landtagswahl von 1908.
Mit ihrer Zustimmung zu den Kriegskrediten 1914 verbanden die Sozialdemokraten auch die Erwartung einer Reform des ungleichen Wahlrechts. Doch während den breiten Massen ihr Beitrag zu allen Lasten des Krieges abgefordert wurde, ließ die "Demokratisierung der Rechte" auf sich warten. Erst als sich die innenpolitischen Spannungen mit der miserablen Ernährungslage, dem Kriegseintritt der USA und den Auswirkungen der russischen Februarrevolution 1917 dramatisch zuspitzten, versprach Wilhelm II. in seiner Osterbotschaft eine Reform des preußischen Wahlrechts. Außer Kraft gesetzt wurde das Dreiklassenwahlrecht jedoch erst im November 1918 nach dem militärischen Zusammenbruch und dem Untergang der preußischen Monarchie im Zuge der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg.