ZUR AUSSTELLUNG

Die erste große Ausstellung des Deutschen Historischen Museums galt einer zentralen Figur der neueren deutschen Geschichte. Sie gilt aber zugleich auch einem ganzen Zeitalter, einem Zeitalter des Umbruchs und der Neugestaltung in praktisch allen Lebensbereichen: dem 19. Jahrhundert und dem Übergang in die moderne Welt in Deutschland und in weiten Teilen Europas. Die Probleme, die dieser Übergang aufwarf, und die- meist wenig dauerhaften - Lösungen, die man zunächst für sie fand, sind in Deutschland, aber auch auf der europäischen Ebene in vielfältiger Weise mit der Person und dem Wirken Otto von Bismarcks verknüpft. Dem entspricht, daß beides, die Person und das Werk, schon unter den Zeitgenossen heftig umkämpft und umstritten war. Diese Kontroverse umfaßte und umfaßt stets weit mehr als den Streit um die Einschätzung einer Person, um individuelle Entscheidungen und Verhaltensweisen. Sie ist selber ein Spiegel und Ausdruck des Ringens der verschiedenen geschichtlichen Kräfte, ihrer Auseinandersetzung um den richtigen Weg in die Zukunft. So vermag eine Ausstellung, die die Gestalt Bismarcks in den Mittelpunkt
stellt, zugleich einen anschaulichen Zugang zu jenen vielfach bis heute höchst aktuellen zentralen Fragen und Problemen der deutschen und europäischen Geschichte und den Auseinandersetzungen um ihre Lösung zu eröffnen.

In diesem Sinne ist die Ausstellung geplant worden, lange bevor die Entwicklung in Osteuropa und in der DDR zu einer Situation geführt hat, die das Verständnis für die Antriebe und Schwierigkeiten einer deutschen Nationalstaatsbildung, mit der sich der Name Bismarcks in erster Linie verbunden hat und verbindet, in spezieller Weise geschärft hat. Nähe und Ferne der Gestalt und der Epoche sollten in der unmittelbaren Anschauung, bei der Betrachtung der Objekte und bildlichen Darstellungen, der prominenten und der alltäglichen Zeugnisse der Zeit gleich deutlich werden, das Fremde und Unvergleichbare ebenso aufscheinen wie das fortdauernd Vertraute und einer lebendigen Tradition Zugehörige. Neben dem bekannten stand überall das unbekannte 19. Jahrhundert, und dem Einmaligen, dem Spezifischen und Unwiederholbaren galt die gleiche Aufmerksamkeit wie dem Typischen und Übergreifend-Generellen. Wie jede Ausstellung war auch diese eine Einladung zu einer Entdeckungsreise: Klug für ein andermal macht uns die Geschichte selten, aber gerade die Betrachtung ihrer Vielfalt, der Verbindung des Einmaligen mit dem Übergreifenden und Typischen, vermag den Blick zu öffnen oder doch zu schärfen für die Freiheit des Handelns in der Geschichte. Sie ist viel kleiner als historischer Heroenkult meint, dem diese Ausstellung als letztes dienen will, aber viel größer als das Reden von historischer Bestimmung, historischen Zwangsläufigkeiten oder gar historischen Gesetzen uns nahelegen will.

Die Ausstellung wurde ergänzt durch ein umfangreiches Literatur- , Musik- und Filmprogramm, das in Zusammenarbeit mit den Berliner Festspielen, dem Rias Berlin, den Freunden der Deutschen Kinemathek Berlin, den Staatlichen Schauspielbühnen Berlin sowie Frieder Reininghaus und Ekhard Haack entstanden ist. Diese anderen Töne, Bilder und Worte leuchten die komplexen Facetten und Widersprüche der Epoche mit ihren Mitteln aus und machen nachvollziehbar, was dem Medium Ausstellung nicht möglich ist.


Unser Dank gilt all denen, die der Ausstellung und dem Rahmenprogramm in zweieinhalbjähriger Vorbereitung konkrete Gestalt gegeben haben, insbesondere auch den Mitarbeitern vieler internationaler Institutionen, deren Rat und Hilfe uns vor manchem Irrtum bewahrten und es ermöglichte, auch entferntestes Quellen- und Bildmaterial zu sichten, zu werten und als Exponat verfügbar zu machen. Er gilt der überaus großzügigen Leihbereitschaft zahlreicher privater und öffentlicher Leihgeber des In- und Auslandes und der DDR Institutionen, die seit Ende 1989 das Vorhaben unterstützt haben. Und er gilt nicht zuletzt den Direktoren der Berlinischen Galerie und ihrer Photographischen Sammlung, deren kollegiale Mitwirkung die Ausstellung "Bismarck - Preußen, Deutschland und Europa" unter dem Dach des Martin-Gropius Baus erweitert hat: durch die Bereitstellung des Schliemann Saales für das musikalische und literarische Rahmenprogramm und die Photoausstellung auf der Lichthofgalerie.


Lothar Gall, Marie Louise von Plessen

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