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    Die Ohel-Jakob-Synagoge in München nach dem Brandanschlag im November 1938

> NS-Regime > Ausgrenzung und Verfolgung

Novemberpogrome 1938

In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 brannten Synagogen und weitere jüdische Einrichtungen im gesamten Deutschen Reich. Menschen wurden getötet, gedemütigt, verhaftet, misshandelt und vergewaltigt, Geschäfte und Wohnungen demoliert und zerstört. Diesen Taten waren mehrere Gewaltausbrüche sowie eine Verschärfung der antisemitischen Politik im selben Jahr vorausgegangen. Unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März fanden dort antisemitische Exzesse statt, im Frühsommer kam es zu Ausschreitungen in Berlin, im Juni wurden tausende Deutsche in „Schutzhaft“ genommen und in Konzentrationslager gesperrt, unter ihnen auch viele Juden.

Bevor die Gewalt in der Nacht vom 9. und 10. November im gesamten Reichsgebiet explodierte, war es bereits am 7. und 8. November zu antijüdischen Gewalttaten in Fulda, Kassel, Bebra und weiteren Städten gekommen. Die Weisung zu den in jener Nacht beginnenden Ausschreitungen war schließlich von München ausgegangen, wo sich die Führung der NSDAP zum Gedenken an den fünfzehnten Jahrestag des Hitler-Putsches versammelt hatte, und wurde rasch durch die Parteistrukturen im ganzen Land verbreitet. Als Vorwand des von ihnen als angeblich spontanen Akt des „Volkszorns" deklarierten Terrors nutzten die Nationalsozialisten den Tod des Legationssekretärs an der deutschen Botschaft in Paris, Ernst vom Rath. Vom Rath war am Morgen des 7. November 1938 von dem erst siebzehnjährigen Herschel Grynszpan angeschossen worden. Dessen Eltern zählten zu den etwa 17.000 polnischen Jüdinnen und Juden, die auf Anweisung Heinrich Himmlers an die deutsch-polnische Grenze zwangsabgeschoben worden waren. Vom Rath erlag seinen Verletzungen am Nachmittag des 9. November.

Die aufgrund der zerstörten Schaufensterscheiben bald als „Reichskristallnacht" bekannt gewordenen Ausschreitungen waren bis dahin der Höhepunkt eines staatlichen Antisemitismus, der mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 begonnen hatte. Beteiligt waren nicht nur Organisationen und Gliederungen der NSDAP, sondern auch Schulklassen, „einfache“ Nachbarn, Männer und Frauen. Teile der nichtjüdischen Bevölkerung standen den Pogromen ablehnend gegenüber, nicht alle beteiligten sich aktiv, aber auch nur wenige halfen ihren jüdischen Nachbarn.

Das NS-Regime deklarierte den von der Führung der NSDAP gesteuerten Pogrom als „berechtigte und verständliche Empörung des deutschen Volkes", die nach einer weiteren Ausschaltung von Jüdinnen und Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben rief. Während und unmittelbar in Folge der Ausschreitungen starben hunderte Menschen, mindestens 1.400 Synagogen in Deutschland und Österreich wurden stark beschädigt oder ganz zerstört, Geschäfte geplündert, beschädigt oder komplett demoliert. Über 30.000 Juden wurden in die Konzentrationslager Dachau, Sachsenhausen und Buchenwald verschleppt.

Am 12. November fanden sich im Reichsluftfahrtministerium etliche Vertreter und Funktionäre, Beamte und Minister des NS-Regimes zu einer Konferenz unter der Leitung von Hermann Göring zusammen. Moniert wurde hier nicht die Gewalt gegen Jüdinnen und Juden in Deutschland, sondern die große Zerstörung von Sachwerten. Den jüdischen Gemeinden wurde eine „Sühneleistung“ in Höhe von einer Milliarde Reichsmark auferlegt, Versicherungsleistungen durften nicht in Anspruch genommen werden, die Beseitigung der Schäden mussten die Betroffenen selbst finanzieren. Diese Maßnahmen sowie zunehmende Entrechtung, Enteignungen und „Zwangsarisierungen" sollten die Jüdinnen und Juden zur Auswanderung zwingen. Eine Möglichkeit, die vielen finanziell oder auch aus Altersgründen nicht mehr offenstand. Darüber hinaus gab es vor allem kaum Länder, die bereit gewesen wären, eine größere Zahl jüdischer Geflüchteter aufzunehmen.

Am 24. November 1938 skizzierte die SS-Zeitung „Das Schwarze Korps“ im Aufmacher-Artikel auf der ersten Seite unter der Überschrift „Juden, was nun?“ einen Weg der weiteren Ausgrenzung, Kennzeichnung und Verfolgung der Juden und Jüdinnen in Deutschland bis zur Ermordung „mit Feuer und Schwert. Das Ergebnis wäre das tatsächliche und endgültige Ende des Judentums in Deutschland, seine restlose Vernichtung. Wer nun etwa im Ausland meinen sollte, er könnte diese, wie man zugeben wird, logische und unvermeidliche Entwicklung durch weiteres eintöniges Geschrei, durch Drohung und Erpressung aufhalten, beweist nur, daß er seit 1933 nichts hinzugelernt hat.“

Oliver Schweinoch
9. November 2021

 

 

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