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    Nationalsozialistisches Propagandaplakat aus der Anti-Spionage-Kampagne "Feind hört mit", 1944

> Der Zweite Weltkrieg > Innenpolitik

Deutsche Anti-Spionage-Plakate

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 publizierten die Reichspropagandaleitung der NSDAP sowie das dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda angeschlossene Deutsche Propaganda-Atelier (DPA) Plakate zur Warnung der Bevölkerung vor Spionage und Landesverrat, Zersetzung und Sabotage. Die Maßnahmen zur Vorbereitung des Krieges, wie auch der Propaganda-Apparat zur psychologischen Beeinflussung der Bevölkerung, waren aber schon früher angelaufen. 1934 wurden in der Landesverratsgesetzgebung die bisher geltenden, und von den NS-Strategen als zu nachsichtig angesehenen Bestimmungen zum Landesverrat an den „Geist des neuen Staates“ angeglichen und verschärft.

Entsprechend dem Verständnis des NS-Regimes von der Gegenwart als einem „Zeitalter der totalen Kriegführung“ beschränkten sich die Kriegsvorbereitungen nicht auf das Militärische, sondern bezogen den zivilen Bereich mit ein. Der Kreis der zu wahrenden Geheimnisse wurde ausgeweitet, zum Zweck der Abschreckung vor Spionage das Strafmaß für Landesverrat erhöht. Als Wehrmittel galten nun nicht mehr allein die Wehrmacht mit ihren drei Waffengattungen Heer, Kriegsmarine, Luftwaffe und deren Organisation, innerer Betrieb, Ausbildung sowie Truppen- und Waffenstärke. Auch zivile Einrichtungen, Betriebe, Bauten, Verkehrsmittel, für Vorräte und für die Versorgung notwendigen Organisationen dienten jetzt der Landesverteidigung. Demzufolge konnte jeder Deutsche Geheimnisträger sein.

Landesverrat wurde zum Gesinnungsverbrechen erklärt, das jeder Deutsche Gefahr lief zu begehen. Er bedeutete Treubruch an der Volksgemeinschaft und Kameradenmord. Darauf stand die Todesstrafe. Die für die Propaganda Verantwortlichen erklärten Schwatzhaftigkeit und Leichtfertigkeit zu „deutschen Nationalfehlern“, die zu „Fahrlässigkeit in Worten und Werken“ führen konnten. Ebenso gehörten Vertrauensseligkeit gegenüber Fremden und Besserwisserei, Neigung zu Prahlerei und Geltungsbedürfnis zu den Grundübeln der Deutschen, waren „Erbfehler“, die den deutschen Volksgenossen anfällig machten für gedankenlosen, unbeabsichtigten Verrat. Folglich musste die deutsche Bevölkerung nicht nur vor Spionen und Agenten, sondern vor allem auch vor sich selber gewarnt werden.

Soldaten wurden beim Eintritt in die Wehrmacht mit Aufklärungsschriften vor Verrat und Sabotage gewarnt und mit den Vorschriften zu Geheimhaltung vertraut gemacht. Für eine erfolgreiche Abwehr von Spionage musste aber auch die Zivilbevölkerung zu abwehrmäßigem Denken und Handeln erzogen werden.

Öffentlich ausgehängte Merkblätter beschrieben die Taktik von Spionen, erteilten Verhaltensmaßregeln zur Bekämpfung von Bespitzelung und Sabotage und setzen die Adressaten unmissverständlich über das Strafmaß bei Landesverrat in Kenntnis. Szenisch gestaltete Plakate mit Parolen wie „Vorsicht bei Gesprächen“, „Feind hört mit – Schweigen ist Pflicht“ und „Pst – Feind hört mit“ konfrontierten die Menschen während der Dauer des Krieges mit der vermeintlich überall lauernden Gefahr der Spionage. 

In den ersten Jahren der Kriegserfolge wurde der Agent durch seine klischeehafte Aufmachung, seine Physiognomie, seinen Blick und seine Positionierung in der Bildkomposition als Außenseiter der Volksgemeinschaft kenntlich gemacht.

Mit zunehmenden militärischen und wirtschaftlichen Verlusten, als sich abzeichnete, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war, änderte sich die Taktik der Anti-Spionage-Propaganda. Als potentieller Verräter und Spion wurde nun der Volksgenosse ins Bild gerückt. Der schnatternde Enterich in blauer Arbeitshose illustriert den seiner Schwatzhaftigkeit erlegenen Volksgenossen und denunziert den Fabrikarbeiter als Verräter.  

In der Szene der beiden Männer im Gespräch wird eine von der Anti-Spionage-Propaganda gerne beschworene Situation illustriert, in der ein mutmaßlicher Agent in einem scheinbar offenen Gespräch seinem Gegenüber Informationen entlocken will. Das kleine Detail der Hutform mit der heruntergeklappten Krempe lenkt den Verdacht der Spionage auf den Mann mit der Aktentasche. Seine wahren Absichten zeigt sein oben ins Bild gesetztes Gesicht mit dem scheelen Blick.

Im Januar 1944 initiierte das DPA die Schattenmann-Kampagne. Wie ein Schemen breitet sich ein anonymer männlicher Schatten über alltägliche Szenen. In seiner Anonymität liegt seine Austauschbarkeit. Ob bei Transporten, in der Fabrik, am Tresen, an der Bushaltestelle oder in der Eisenbahn – überall lauert der Spion, überall kann jeder zum Verräter werden. Der Schattenmann wurde zum Symbol der Spionage und suggerierte die allgegenwärtige Bedrohung durch Agenten und Spitzel.

Die Plakate waren Teil der staatlichen Durchhaltepropaganda, mit der die Zivilbevölkerung weiter in den Krieg hineingezogen wurde, sowie ein Mittel der psychologischen Kriegsführung, um durch Abschreckung, Misstrauen und Angst vor Denunziation die Menschen in Schach zu halten und von den Unzulänglichkeiten und dem Versagen der politischen und militärischen Führung abzulenken auf die Verantwortung der Heimatfront für Sieg oder Niederlage. Äußerungen von Zweifeln am deutschen "Endsieg" wurden als Defaitismus und Miesmacherei ebenfalls schwer bestraft.

Schweigen wurde zur Pflicht, da laut geäußerte Zweifel am Endsieg der Deutschen das Vertrauen der Bevölkerung an die Unfehlbarkeit der politischen und militärischen Führung und die Loyalität zum Regime zu erschüttern drohten. Schweigen wurde aber auch überlebenswichtig: zwischen den Plakaten zur Warnung vor Spionage hingen die Vollstreckungsmeldungen der Todesurteile wegen Landesverrates.

Andrea von Hegel
12. März 2021

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