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    Anti-französische Postkarte, 1939/1940

> Der Zweite Weltkrieg > Kriegsverlauf

Kriegsflugblätter der deutschen Wehrmacht

Unter "Psychologischer Kriegführung" (PKf), auch Kriegspropaganda genannt, sind alle strategischen und taktischen Maßnahmen öffentlicher Institutionen kriegführender Staaten zur Beeinflussung der gegnerischen Streitkräfte und Zivilbevölkerung mit nicht gewaltsamen Mitteln zu verstehen. In Bezug auf die Erkennbarkeit der Urheber, unterscheidet man grob zwischen "weißer", "grauer" oder "schwarzer" Propaganda. "Weiß" meint, dass sich der Urheber klar zu erkennen gibt, "schwarze" Propaganda täuscht hingegen das Gegenteil vor oder tarnt sich als harmloses Produkt. Dazwischen oszilliert die "graue" Propaganda durch intendierte Verwechselbarkeit, die erst durch genaues Studium Hersteller und Absicht preisgibt.
Im Zweiten Weltkrieg wurde sie von allen Seiten vor allem durch Flugblätter und -schriften sowie über den Rundfunk betrieben. Flugblätter waren in großen Massen einsetzbar und konnten auf vielfache Weise zu ihrem potenziellen Leserkreis gebracht werden: per Abwurf aus Flugzeugen im Großflächeneinsatz, mit speziellen Granaten und Raketen an der Front oder über manuelle Streuung im persönlichen Bereich. Je nach Möglichkeit und Zielgruppe nutzten die kriegführenden Mächte im Zweiten Weltkrieg diese Verbreitungswege.

Wie bei vielen Entwicklungen, die im Zweiten Weltkrieg zur vollen Entfaltung gelangten, dienten auch hier die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges als Referenzrahmen: Dessen Ende und die folgende Revolution bildeten für das Handeln der Nationalsozialisten eine konstante Negativfolie. Adolf Hitler war geradezu von der Idee besessen, dass sich ein 1918 niemals wiederholen dürfte. Er sah in der unausgereiften und unsystematisch betriebenen deutschen Propaganda wie auch auf die ausgiebig betriebene gegnerische Kriegspropaganda einen wesentlichen Grund für den verlorenen Weltkrieg. Dementsprechend wichtig war der Aufbau eines effizienten und kreativen Propagandaapparates, der nach innen wie nach außen wirken sollte.

Organisationen und Dimensionen

Für den Kriegsfall bereitete sich das Deutsche Reich spätestens seit 1935 systematisch vor - auch im Bereich der Propaganda. Hierfür wurde 1938 zwischen dem Oberkommando der Wehrmacht (OKW) und dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RVMP) Kompetenzgrenze abgesteckt, und zwar entlang der direkten militärischen Einflussbereiche. Die Wehrmacht war danach unter anderem federführend verantwortlich für die "[...]die aktive Propaganda [...] in die [gegnerische] Bevölkerung und die feindliche Wehrmacht" und schuf eigens dafür Propagandakompanien (PK) und im April 1939 die Abteilung für Wehrmachtpropaganda (WPr) beim OKW (ab 1942 zur Amtsgruppe aufgewertet).
Nach Abschluss des Krieges gegen Frankreich wurden für die rückwärtigen Heeresgebiete und die besetzten Gebiete, die unter Militärverwaltung standen, größere Propaganda-Abteilungen (PA) zur Beeinflussung der Zivilbevölkerung geschaffen. Für den Krieg gegen die Sowjetunion wurden diese Einheiten von vornherein aufgestellt. Während die PK mit ihren "Kriegsberichtern" massenhaft Wort- und Bildmaterial für die Inlandspropaganda des RMVP lieferten, besorgten die PA die aktive Feindpropaganda. Nachdem Verlust der militärischen Initiative, verlagerte sich ab 1943 auch die Aufgabenverteilung bei der psychologischen Kriegführung zugunsten der Aktivpropaganda. Die Waffen-SS stellte 1940 eine eigene Kriegsberichterkompanie auf, die im August 1941 zu einer Abteilung erweitert wurde und 1943 des Status einer Standarte (vergleichbar mit einem Regiment) und den Namen des SS-Offiziers und Schriftstellers Kurt Eggers erhielt. Nur wenig später, ab Frühjahr 1944, übernimmt diese Einheit mehr und mehr die Federführung der gesamten deutschen aktiven Kriegspropaganda und kurz vor Kriegsende wird ihr Kommandeur, Gunter d'Alquen Chef der deutschen Propagandatruppen.

Am 6. September 1939 wurden die ersten 600.000 deutschen Flugblätter über Polen abgeworfen. Doch die Adressaten der PKf waren aber hier schon zahlreich, denn das Deutsche Reich befand sich im Kriegszustand mit Polen, Frankreich und Großbritannien und besonders die französischen Soldaten wurden während des "Drôle de guerre" massiv und intensiv zur Zielscheibe deutscher Aktivpropaganda. Diese verstärkte sich ab Mai 1940 als Deutschland in Belgien, Holland und schließlich Frankreich einmarschierte.
Die Deutungshoheit über die zu streuenden Inhalte lag indes keineswegs allein beim OKW/WPr: Im für das "Dritte Reich" typischen Komptenzgerangel von Ämtern und Ministerien, beanspruchten das RMVP, das Auswärtige Amt, das Amt Ausland/Abwehr beim OKW und die Abteilung WPr Mitsprache bei der Ausrichtung Flugblattpropaganda. Ebenso typisch war, dass Hitler selbst in die operativen Entscheidungen auf unterster Ebene eingriff, sich bis Ende 1940 etliche Flugblätter zur Freigabe vorlegen ließ und einige Texte sogar selbst verfasst haben soll.
Die Inhalte variierten zwar je nach Adressatennation, ähnelten sich in Bezug auf ihre Grundtendenz: Soldaten gegenüber wurde die Aussichtslosigkeit ihres Kampfes und die Sinnlosigkeit ihres möglichen Todes sowie die Vorteile deutscher Kriegsgefangenschaft betont. Französischen Soldaten wurden darüber hinaus - nicht ohne Erfolg - die "Kriegstreiberei" der britischen Bundesgenossen und deren vermeintliche Ehr- und Treulosigkeit herausgestellt. Während des Feldzuges warf die Luftwaffe Millionen antibritischer Flugblätter und Postkarten mit zersetzendem Inhalt über Frankreich ab. Die Moral und Widerstandskraft der jeweiligen Zivilbevölkerung sollte durch die Angst und Sorge über den Tod der Männer und Söhne untergraben werden. Beiden gegenüber versuchte man die jeweilige politisch-militärische Führung zu diskreditieren.

Mit dem Überfall auf die Sowjetunion änderte sich auch das Vorgehen der Propagandisten. Zwar wurden weiterhin Flugblätter von den zentralen Stellen im Reich bereits seit April 1941 konzipiert und ebenfalls in Millionenauflagen produziert. Doch auch die Propagandakompanien an der Front übernahmen nun auch deren Entwurf und Herstellung, da sie auf die örtlichen Gegebenheiten reagieren konnten.
Das inhaltliche Grundmuster der deutschen Kriegspropaganda gegen die sowjetischen Soldaten war vorrangig die - primitive - Verknüpfung von antikommunistischen und antisemitischen Motiven. Vorderhand gegen die Politoffiziere (Kommissare) gerichtet wurden die Rotarmisten aufgefordert, jene zu erschlagen und sich dann den Deutschen zu ergeben. Auch der Zivilbevölkerung gegenüber wurden immer wieder Stalin und Juden als ihre eigentlichen Feinde "entlarvt". Als sich ab Spätsommer 1941 statt des erhofften Blitzfeldzuges ein langer Krieg abzeichnete, gingen die Propaganda-Abteilungen gezielter vor und sprachen in ihren Flugblättern zum Beispiel mangelnde Versorgung und die harte Lebenswirklichkeit der Sowjetsoldaten an, um sie zum Überlaufen zu bewegen.
Eine etwas andere Strategie und vor allem deutlich mehr Aufwand in Bezug auf Gestaltung und Argumentation wandte man bei der PKf gegen die westalliierten Streitkräfte an. Den US-amerikanischen Soldaten beispielsweise wurden zwar ebenfalls antisemitische Motive untergeschoben, doch wurden diese nicht politisch, sondern etwas mit Sex-Sujets verflochten: Während der brave Soldat an der Front kämpft, verführen Juden in der Heimat deren Frauen. Zudem wurde den G.I.s immer wieder die Gefahr des eigenen Todes "kurz vor Schluss" mahnend vor Augen geführt, um ihren Kampfwillen zu untergraben. Man musste, entlang der Kriegsentwicklung, in Teilen zugeben, dass es Rückschläge gab, warnte aber, dass es jeder Kilometer Vormarsch Verluste für die alliierten Truppen bedeuten würde: Kampferfahrung gegen Kriegsmaterial war hier das Motto.
Am Ende des Krieges wandte sich die nun von der Waffen-SS geführte Flugblattpropaganda vor allem im Westen immer stärker an die eigenen Truppen und versuchte deren Durchhaltewillen zu stärken. Insgesamt sollen etwa fünf Milliarden deutsche Flugblätter während des Zweiten Weltkrieges hergestellt und verbreitet worden sein.

Wirkung der Kriegsflugblätter der deutschen Wehrmacht

Die Wirksamkeit der deutschen Flugblattpropaganda lässt sich nicht beurteilen. Erfolgreich war sie, so lange die Wehrmacht unbesiegbar schien. So werden der schnelle Zusammenbruch der französischen Armee und die Massendesertionen von Soldaten aus dem Baltikum und in der Ukraine aus der Roten Armee zu Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion auch auf die massenhafte Propaganda zurückgeführt. Hier konnte sie entweder auf schon vorhandene Ängste bzw. antisowjetische Haltungen aufsatteln und diese verstärken. Aber auch nach der Kriegswende 1942/43 konnte die psychologische Kriegführung der Deutschen in den besetzten Gebieten West- und Osteuropas mit Antisemitismus und Antikommunismus weiterhin erfolgreich Ressentiments und Kräfte mobilisieren: Die letzten in Berlin kämpfenden Truppen waren Reste von Waffen-SS Verbände mit Angehörigen aus vielen Staaten Europas.
So unterschiedlich die Ausrichtungen, Ansprachen und Adressaten auch waren - ein Element wurde von allen hier behandelten Mächten in den für Soldaten bestimmten Flugblättern verwendet: der Passierschein zum Überlaufen. Letztlich war das finale Ziel jeglicher PKf im Bereich der Fronten die Aushöhlung des gegnerischen Kampfwillens und die Erzeugung von Todesfurcht. Beides sollte zu der Erkenntnis führen, es sei besser, den Krieg zu beenden, als weiterzukämpfen. Daher wurde auf sehr vielen Flugblättern ein Passierschein zum Überlaufen aufgedruckt. Zeitweise sehr erfolgreich eingesetzt, verzichtete angesichts der unvermeidlichen Niederlange die für die PKf verantwortliche Waffen-SS Standarte „Kurt Eggers“ ab Herbst 1944 auf den Gebrauch solcher Passierscheine: Die Aussicht auf westalliierte Überläufer war einfach zu gering.

Thomas Jander
19. März 2021

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