Frauen wurden in Deutschland seit Beginn des 20. Jahrhunderts zum Jurastudium zugelassen. Jedoch wurde ihnen der juristische Vorbereitungsdienst als Voraussetzung zur Anwaltschaft als auch zum Richteramt erst ab 1922 ermöglicht, obwohl die formale Gleichberechtigung für Frauen seit 1919 galt. In anderen europäischen Ländern wurden Juristinnen bereits früher zur Anwaltschaft zugelassen: beispielsweise in Frankreich schon seit 1900, in Holland seit 1903, in Dänemark seit 1909 oder in Finnland seit 1911. Hingegen nahm die erste Anwältin in den USA 1869 ihre Tätigkeit im Staate Iowa kurz nach dem Bürgerkrieg auf.
Anders als bei Medizinerinnen, wo 1925 mit 2572 Ärztinnen der Anteil bei 5,4% der Gesamtärzteschaft in Deutschland lag, fielen in der Jurisprudenz die Zahlen wesentlich niedriger aus. Unter den etwa 3000 niedergelassenen Anwälten in Berlin befanden sich Ende der 1920er Jahre lediglich acht Frauen, in München waren es vier Frauen unter 700 Anwälten und im gesamten Reichsgebiet hielten lediglich 74 Frauen Richterpositionen inne.
Vor der Zulassung
Der deutsche Juristenstand war einerseits sehr bemüht, Frauen aus den sorgsam gehüteten Sphären von Politik und Gesellschaft herauszuhalten, andererseits gab es keine Scham, die neuen Arbeitskräfte zu benutzen. Bereits vor Beginn des Ersten Weltkrieges füllten Juristinnen zeitweise unbesetzte Positionen, und nach dem Wegfall männlicher Konkurrenten durch Einberufungen waren Juristinnen sehr gefragt. Zu ihnen gehörte Margarete Berent (1887-1965), die bereits 1913 in Bayern ihr erstes Staatsexamen und ihren Dr. jur. absolviert hatte, aber im preußischen Justizsystem nicht anerkannt wurde. Berent vertrat verschiedene Rechtsanwälte in Berlin, arbeitete aber auch bis September 1915 in der Rechtsschutzstelle für Frauen in Charlottenburg und im Winter 1914/15 in der freiwilligen Kriegsfürsorge beim Magistrat in Schöneberg. Für zwei Jahre war sie in der Rechtsabteilung der AEG und in den letzten anderthalb Kriegsjahren beim Verband Groß-Berlin als juristische Hilfsarbeiterin in juristischen als auch in administrativen Angelegenheiten tätig. Gleichzeitig war sie in verschiedenen Frauenorganisationen aktiv, unter anderem in der “Socialen Frauenschule” von Alice Salomon, wo sie Familienrecht und Jugendfürsorge unterrichtete.
In dieser Situation offensichtlicher Diskriminierung war die Gründung des Deutschen Juristinnen-Vereins kurz nach Beginn des Ersten Weltkrieges im November 1914 kein Zufall. 1919 gehörten fast 100 Frauen dem Verein an. Sie kamen aus allen Teilen Deutschlands und fast die Hälfte besaß einen Doktortitel. Die Vorsitzende war Margarete Edelheim (1891-1975), geb. Meseritz (später Edelheim Muehsam). Sie hatte 1914 in Berlin in Jura promoviert, arbeitete später aber hauptsächlich als Journalistin. Stellvertretende Vorsitzende war Marie Munk (1885-1978), die erste Richterin Deutschlands. Margarete Berent fungierte als Schatzmeisterin. Zu den außerordentlichen Mitgliedern zählte Martha Mosse (1884-1974), die wie eine Reihe ihrer Kolleginnen selbst Tochter eines Juristen war.
Die Mitarbeit von Juristinnen vor, während und nach dem ersten Weltkrieg ist nur sehr lückenhaft dokumentiert. Wie aus den wenigen zur Verfügung stehenden Quellen jedoch deutlich wird, engagierten sie sich oftmals in der Familien- und Jugendfürsorge.
Seit der Zulassung 1922
Wie zu erwarten, gestaltete sich der Zugang von Frauen in die verschiedenen juristischen Tätigkeitsfelder auch nach der formalen Zulassung als sehr zäh. Die konservative und politisch stark rechtslastige Männerbastion der Rechtssphäre wurde in der Literatur der Zeit ausgiebig dargestellt, so in dem 1931 erschienenen Roman von Ernst Ottwalt: „Denn sie wissen was sie tun“. Das nationalsozialistische Regime beendete diese mühsamen Errungenschaften dann jedoch sehr schnell. Frauen, Juden und Regimegegner wurden aus dem Justizdienst entfernt.
Eine der hervorragenden Juristinnen, die dies betraf, war Maria Magdalena Schoch, die nach ihrem Externenabitur, auch gleichberechtigte Schulbildung für Frauen musste erst erkämpft werden, von 1916–1920 in Würzburg studierte. Sie promovierte 1918 bei Albrecht Mendelssohn-Bartholdy zum Thema „Die Zwangsliquidation feindlicher Gesellschaften durch das englische Handelsamt nach der Trading with the Enemy (Amendment) Act“, war Assistentin im Hamburger Seminar für Auslandsrecht, Internationales Privat- und Prozessrecht und Mitarbeiterin in Mendelssohn-Bartholdys Institut für Auswärtige Politik. Schoch habilitierte sich dort und wurde die erste, und auch einzige, Universitätsdozentin für Jura. Sie verließ Deutschland 1937 aus politischen Gründen und war ab 1938 an der Harvard Law School tätig. Später arbeitete sie im US Justizministerium und anschließend als freie Anwältin in Washington, DC.
Nicht allen Juristinnen gelang es, dem Griff des Naziregimes zu entkommen. Else Samulon (1898–1944) hatte ihr Jurastudium 1919 in Berlin begonnen und schloss es vier Jahre später mit Auszeichnung ab. Nach drei Jahren Referendariat und der zweiten Prüfung wurde sie die erste Amtsrichterin in Preußen. 1932 heiratete sie den Berliner Kammergerichtsanwalt und Kriegsveteran Oskar Guttmann (1885–1944). Im April 1933 wurde sie gemäß des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ als Jüdin aus dem Justizdienst entlassen. Ihr Mann durfte als “Hindenburgausnahme” weiter praktizieren, denn Frontkämpfer wurden auf Verlangen von Generalfeldmarschall und Reichspräsident Paul von Hindenburg mit Ehrenkreuzen ausgezeichnet, was für Juden beschränkte Privilegien für die Berufsausübung mit sich brachte. Somit kam für ihn eine Auswanderung, auch aus Altersgründen, zu dem Zeitpunkt nicht in Frage. Als Else Samulons Mutter erkrankte und 1939 starb, hatten sich die Möglichkeiten der Auswanderung dermaßen verringert, dass dem Ehepaar Guttmann die Flucht nicht mehr gelang. Sie wurden nach Theresienstadt deportiert und im Oktober 1944 in Auschwitz ermordet.