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Der Kampf um den Achtstundentag

Der Rat der Volksbeauftragten hatte mit der Arbeitszeitverordnung vom November 1918 den Achtstundentag eingeführt, der zuvor im Stinnes-Legien-Abkommen zwischen Unternehmerverbänden und Gewerkschaften ausgehandelt worden war. Damit war eine der ältesten Forderungen der Arbeiterbewegung erfüllt. Doch schon im Dezember 1923 erließ Reichsarbeitsminister Heinrich Brauns von der Zentrumspartei eine neue "Verordnung über die Arbeitszeit". Danach sollte der Achtstundentag als Normalarbeitszeit zwar nicht aufgegeben werden, längere Tätigkeit konnte jedoch durch zahlreiche Ausnahmeregelungen zugelassen werden, zum Beispiel im Rahmen von Tarifverträgen.

Diese erlassene "elastischere" Arbeitszeitregelung sollte notwendige Produktionssteigerungen zur Überwindung der Krise in der deutschen Industrie und Wirtschaft ermöglichen. Zunächst für die Schwerindustrie, dann auch für andere Bereiche stimmten die Gewerkschaften und die arbeitnehmerfreundliche SPD den entsprechenden Arbeitgebervorschlägen zu. Die Kommunisten, für die der Achtstundentag eine der wichtigsten sozialpolitischen Errungenschaften der Revolution von 1918/19 bedeutete, bekämpften die neue Verordnung vehement. Sie sahen darin nur ein weiteres Instrument zur Gewinnsteigerung des Kapitals, während gleichzeitig die Arbeitslosigkeit stieg. Proteste, Streikwellen und Aussperrungen, besonders im Bergbau, waren die Folgen.

Das Arbeitszeitnotgesetz vom Mai 1927 schrieb dann zwar acht Stunden als "regelmäßige tägliche Arbeitszeit" fest, erlaubte aber weiterhin längere Tätigkeit bei einem entsprechenden Lohnausgleich. Die Gewerkschaften dagegen forderten nun nachdrücklich die Wiedereinführung des Achtstundentages per Gesetz, "weil nur dadurch die Möglichkeit besteht, das Arbeitslosenproblem zu lösen. Der Stand der Technik und der Rationalisierung machen es zur gebieterischen Notwendigkeit, die Arbeitszeit zu verkürzen." 

Carola Jüllig
10. Mai 2012

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