Mit bedeutenden Leistungen in den Bereichen der Naturwissenschaften und Technik gewannen deutsche Wissenschaftler nach dem Ersten Weltkrieg verlorenes internationales Prestige mühsam zurück. Von den zwischen 1919 und 1933 verliehenen 36 naturwissenschaftlichen Nobelpreisen ging jeder dritte an einen Forscher aus Deutschland. In Dresden wurde dem staunenden Publikum 1930 "Der gläserne Mensch" präsentiert. Die Universitäten waren wie im Kaiserreich Hochburgen des Antisemitismus. Nationalismus und Verachtung der Weimarer Republik kennzeichneten die einflussreichen Korporationen, deren Angehörige in Uniformen mit Mütze und Zipfel vielfach das Bild der Universitätsstädte prägten. Hohes Sozialprestige genossen Hochschullehrer, die als Kern des Bildungsbürgertums häufig elitären Kastengeist und traditionelle Wertvorstellungen vermittelten. 1918 erhielten auch Frauen die Zulassung zum Hochschullehrerberuf.
Neubeginn nach Kriegsende
Im Ersten Weltkrieg hatte sich die große Mehrheit der Wissenschaftler und Gelehrten vorbehaltlos für die Kriegsziele des Deutschen Reichs ausgesprochen und sich in den Dienst deutscher Großmachtbestrebungen gestellt. In zahlreichen Aufrufen rechtfertigten sie die Verletzung der belgischen Neutralität und bekundeten die Einheit von Volk und Heer. Folge dieser Aufrufe war die noch im Krieg beginnende internationale Isolierung der deutschen Wissenschaft, die mit Abschluss des Versailler Vertrags im Sommer 1919 ihren Höhepunkt erreichte. Alle bisherigen internationalen Konventionen auf wissenschaftlichem Gebiet mit Deutschland galten als aufgelöst. Deutsche Gelehrte wurden aus wissenschaftlichen Gesellschaften ausgeschlossen und zu Kongressen nicht eingeladen. Die internationalen Boykottmaßnahmen umfassten auch wissenschaftliche Publikationen aus Deutschland, die keine Aufnahme in Bibliographien alliierter Staaten fanden.
Durch die Nutzung zu Kriegszwecken war im Deutschen Reich eine bisher nicht gekannte Zentralisierung der Forschungs- und Wissenschaftsplanung entstanden. Der Staat trat dabei als Auftraggeber und Finanzier auch nichtstaatlicher Institutionen auf. Mit dem Wegfall staatlicher Forschungsfinanzierungen unmittelbar nach Kriegsende sowie durch den weitgehenden Verlust ihrer Kapitalvermögen durch die Inflation standen die wissenschaftlichen Institutionen vor dem finanziellen Bankrott. Angesichts der Notlage der gesamten Forschungs- und Lehranstalten fand die Wissenschaft in den Parlamenten und Parteien Fürsprecher. An die Stelle privater Förderung wie im Kaiserreich trat eine Forschungsfinanzierung durch das Reich und die Länder, wodurch sich die Wissenschaftsbetriebe weitgehend in staatliche Abhängigkeit begaben. Die 1911 gegründete Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (heute: Max-Planck-Gesellschaft), die trotz der Abdankung von Kaiser Wilhelm II. ihren Namen in der Weimarer Republik beibehielt, wurde von einer preußischen zu einer gesamtdeutschen Institution mit öffentlicher Finanzierung. Auf ihre Mitinitiative hin wurde im Oktober 1920 die "Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft" (ab 1929: Deutsche Forschungsgemeinschaft) gegründet. Dieser Zusammenschluss aller wissenschaftlichen Forschungsstätten Deutschlands wurde ebenfalls vor allem aus Mitteln des Reichs finanziert.
Internationale Spitzenforschung
Das Verhältnis der Forschungsstätten zum Weimarer Staat war ambivalent. Die Dominanz konservativer und weit rechts stehender Kräfte innerhalb der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und ihre Vergabe staatlicher Mittel an republikfeindliche Wissenschaftler führte zu scharfen Angriffen von Politikern der DDP und der SPD. Mit Erfolg setzten sie bis Ende der Zwanziger einen größeren Einfluss und eine stärkere Kontrolle der Ausgaben seitens des Staats durch.
Mit erstaunlicher Einmütigkeit teilten die politischen und wissenschaftlichen Eliten im Reich die Auffassung, die Wissenschaft könne Ausgangspunkt für die Wiedergewinnung internationalen Ansehens sein und als Ersatz für verlorene politische Macht dienen. Durch staatliche Fördermittel gelang eine schnelle Überwindung der Nachkriegskrise. Albert Einstein, Nobelpreisträger von 1921 für seine Forschungen auf dem Gebiet der theoretischen Physik, lag als Pazifist nationales Prestigedenken fern. Von zahlreichen Kollegen wie Max von Laue, Max Planck und Werner Heisenberg für seine Relativitätstheorie als "Jahrhundertgenie" gefeiert, sah sich Einstein zusammen mit anderen namhaften Wissenschaftlern wie Max Born oder Fritz Haber aufgrund ihrer jüdischen Abstammung vehementen Anfeindungen ausgesetzt. Die Physik-Nobelpreisträger Philipp Lenard und Johannes Stark (1874-1957) wandten sich gegen Einsteins "verfälschte jüdische Theorie" und plädierten für eine der arischen Rasse eigene, experimentelle "Deutsche Physik".
Die Ausweitung staatlicher und privater Forschungsinitiativen in den zwanziger Jahren erstreckte sich auf nahezu sämtliche wissenschaftlichen Teilgebiete. Bahnbrechende Erkenntnisse in der Seuchenbekämpfung und der Virusforschung lieferte das Reichsgesundheitsamt ebenso wie die Biologische Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft in den Bereichen des Pflanzenschutzes und der Schädlingsbekämpfung.
Technik und Medizin
Die Weimarer Republik verzeichnete vor allem ein rasantes Anwachsen anwendungsorientierter Grundlagenforschungen in der Technik. In jahrelanger Forschungsarbeit entwickelten deutsche Ingenieure die notwendigen Geräte für die Präsentation des ersten Tonfilms 1922. Ein Jahr später schlug mit der Ausstrahlung einer Unterhaltungssendung die Geburtsstunde des öffentlichen Rundfunks im Deutschen Reich. Die Kommunikationstechnik erlaubte 1926 erstmals den Einsatz von Selbstwähltelefonen ohne zwischengeschaltete Vermittlung durch das Amt.
Am Stand der Firma Telefunken konnten Besucher der Deutschen Funkausstellung in Berlin 1928 als Hauptattraktion die erste öffentliche Vorführung von Fernsehbildern verfolgen.
Eine unaufhaltsame Motorisierung in den zwanziger Jahren förderte die Entwicklung immer leistungsstärkerer Automobile und Rennwagen nach areodynamischen Gesichtspunkten. Mit ihren Technik- und Sicherheitsmaßstäben genossen deutsche Autos weltweit einen hervorragenden Ruf. Auf der Rennstrecke der Opel-Werke in Rüsselsheim wurde im April 1928 das erste von Pulverraketen angetriebene Fahrzeug getestet. Der Raketenwagen beschleunigte von 0 auf 100 Stundenkilometer in bis dahin unvorstellbaren acht Sekunden. Vorbild für die spätere Entwicklung von Trägerraketen war bereits 1925 die erste automatische Flüssigkeitsrakete, deren Fortentwicklung Anfang der dreißiger Jahre vor allem Wernher Freiherr von Braun betrieb. Als Verkehrsmittel der Zukunft galten Flugzeuge und Flugschiffe. Hugo Eckeners erfolgreiche Weltfahrt mit dem Luftschiff "Graf Zeppelin" 1929 wurde in Deutschland als Beweis technischer Leistungsfähigkeit gefeiert. Im selben Jahr startete mit dem vom deutschen Flugzeugkonstrukteur Claude Dornier (1884-1969) gebauten zwölf-motorigen Flugboot Dornier DO-X das größte Flugzeug der Welt zu seinem Jungfernflug.
Neue Perspektiven in der medizinischen Behandlung eröffnete 1918 die Therapie mit Höhensonnen und UV-Strahlen zur Prophylaxe und Kurierung der "Armutskrankheit" Rachitis. Ebenfalls eine Pionierleistung in der Medizin war 1924 die Aufzeichnung von Hirnströmen durch den Jenaer Psychiater Hans Berger (1873-1941), die eine Diagnose krankhafter Gehirnveränderungen ermöglichte. Die Entschlüsselung der Stoffwechsel in Tumoren durch den späteren Medizin-Nobelpreisträger Otto Heinrich Warburg (1883-1970) in der Abteilung für Zellforschung der Berliner Charité bedeutete 1926 einen Meilenstein in der Krebstherapie. Fünf Jahre später gelangen dem Physiker Ernst Ruska (1906-1988), Nobelpreisträger von 1986, erfolgreiche Tests mit einem Elektronenmikroskop, das durch zwölftausendfache Vergrößerung von Organismen Medizinern neue Forschungserkenntnisse erlaubte. Ein wesentliches Element als Produktionsfaktor im ökonomischen Wettbewerb war die chemische Wissenschaft. Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg des 1925 gegründeten weltgrößten Chemiekonzerns IG-Farben, einer Firmenfusion von Bayer, BASF und Hoechst und anderen mit insgesamt rund 40.000 Patenten, waren die Forschungsarbeiten der Nobelpreisträger Carl Bosch und Gerhard Domagk (1895-1964).
Während sich die deutschen Naturwissenschaften und die Technik dem weltweiten Wachstum mit einer immer höheren Zahl an Entdeckungen und Erfindungen anschlossen, sahen die Geisteswissenschaften ihre Geltung in der Weimarer Republik erschüttert. Im Ersten Weltkrieg um die Durchsetzung nationaler Ideale bemüht, blieben nach der Niederlage Zweifel an der vorgegebenen deutschen Kulturüberlegenheit zurück. Zu einer festen geistigen Größe wurde daher nach Kriegsende die Soziologie, die vor 1914 kaum als eigene Wissenschaft betrachtet wurde, obwohl ihre Grundlagen bereits im Kaiserreich von Max Weber und Georg Simmel gelegt wurden.
Von der Sozialforschung erwartete die durch Kriegserlebnisse, Alltagsprobleme sowie durch politische und kulturelle Veränderungen geprägte Gesellschaft eine Orientierung. Politisch aufgewertet und nicht mehr in die traditionellen Geisteswissenschaften wie die Philosophie eingebettet, erhielt die Soziologie eigene Lehrstühle an den Universitäten. Aufgrund der Radikalisierung der Gesellschaft wurde dem Fach ausdrücklich die pädagogische Aufgabe übertragen, in dem neuen Staat für eine demokratische Kultur zu sorgen.
Universitäten
Dies war ein kaum zu realisierendes Unterfangen angesichts der mehrheitlichen Ablehnung der Studenten und Professoren gegenüber der Republik und ihrer demokratischen Ordnung. Nur etwa jeder zehnte Hochschullehrer rechnete sich ideologisch dem "Weimarer Kreis" zu, einer offenen Gruppe republiktreuer Professoren, die in dem Historiker Friedrich Meinecke (1862-1954) ihren Wortführer hatte. Als Hauptträger der politischen und geistigen Tradition war das Bildungsbürgertum im Deutschen Reich besonders nachhaltig von der Kriegsniederlage und der moralischen Anklage deutscher Kriegsschuld verletzt worden. In ihrer antirepublikanischen Hetze nutzten die Hochschullehrer die liberalen Grundrechte von Artikel 142 der Weimarer Verfassung, der die Freiheit von Wissenschaft und Lehre garantierte. Den angehenden Akademikern wurde von ihnen nicht nur eine wissenschaftliche Fachausbildung, sondern auch eine geistig-kulturelle, zumeist nationalistisch, antiliberal geprägte Weltanschauung vermittelt.
Vom Studium ausgeschlossen waren in der Regel Angehörige der Unter- und Mittelschichten. Zwar riefen die Universitäten aufgrund der sozialen Lage zu Beginn der zwanziger Jahre Studentenwerke mit allgemein zugänglichen Mensen und Wohnheimen ins Leben, Studieren war jedoch ein Luxus für Söhne und zunehmend auch Töchter aus gutsituierten Bürgerfamilien. Betrug der Anteil von Studentinnen in den Universitäten 1921 lediglich 9,5 Prozent, erhöhte er sich zehn Jahre später auf 18,9 Prozent. Im selben Zeitraum stieg die Anzahl der Studierenden von ca. 90.000 auf 104.000. Viele von ihnen sympathisierten mit dem am 26. Januar 1926 auf Befehl von Adolf Hitler gegründeten Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB), einer Studierendenunterorganisation der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). Bei Studentenschaftswahlen verzeichnete der NSDStB sogleich spektakuläre Erfolge. 1931 erreichte er an 28 Hochschulen die absolute Mehrheit. Unter Führung Baldur von Schirachs gelang der nationalsozialistischen Studentenbewegung damit bereits zwei Jahre vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten die Durchdringung der deutschen Universitäten und der künftigen akademischen Führungselite.