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Die Deutsche Volkspartei (DVP)

Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs im Herbst 1918 formierten sich die Parteien neu. Der von Gustav Stresemann geführte rechte Flügel der ehemaligen Nationalliberalen Partei und ein Teil der früheren Fortschrittlichen Volkspartei schlossen sich im Dezember 1918 zur Deutschen Volkspartei (DVP) zusammen. Deren Ziel war es, Deutschland von den "roten Ketten" der Sozialdemokratie und des Kommunismus zu befreien, wie es das Wahlplakat von 1920 zum Ausdruck bringt. Dem parlamentarischen System der Weimarer Republik zunächst äußerst ablehnend gegenüberstehend, näherte sich die DVP unter dem Vorsitz des "Vernunftrepublikaners" Stresemann langsam an die neue Staatsform an.

Die Positionierung in der Parteienlandschaft

Die im Oktober 1919 veröffentlichten Grundsätze der DVP betonten den Gedanken nationaler Machtstaatspolitik und zielten noch auf die Wiederherstellung des Kaisertums. Das offene Bekenntnis der DVP zu den alten Reichsfarben "Schwarz-Weiß-Rot" war Ausdruck der strikten Ablehnung der Weimarer Verfassung und der republikanischen Staatsform. Von der Schwerindustrie finanziell massiv unterstützt, stand die DVP in scharfer Konfrontation zu den politischen Zielen der SPD. Ebenso eindeutig wie die DNVP lehnte die DVP als Partei des "nationalen Liberalismus" die Revolution von 1918/19 prinzipiell ab, aber sie war weit weniger populistisch und hielt Distanz zu dem in deutschnationalen Kreisen offen propagierten Antisemitismus. Die insbesondere von der DDP und DVP erhobene Forderung nach einer klaren Trennung von Staat und Kirche führte immer wieder zu Konflikten mit der Zentrumspartei.

Dem Putsch des obersten Reichswehrgenerals Walther von Lüttwitz im März 1920 brachte die DVP weit mehr Sympathien entgegen als die Deutschnationalen, zu deren Mitgliedern der von Lüttwitz zum Reichskanzler ernannte Wolfgang Kapp zählte. Während die linksliberale Presse das undurchsichtige Verhalten Stresemanns und der DVP während des Putsches heftig kritisierte, erreichte die DVP bei der von Lüttwitz erzwungenen Reichstagswahl vom 6. Juni 1920 mit knapp 14 Prozent aller Stimmen ihr bestes Ergebnis überhaupt. Die rund 800.000 Mitglieder zählende Partei profitierte bei dieser Wahl vom schlechten Abschneiden der DDP sowie vom allgemeinen Rechtsruck in der Bevölkerung. Mit dem Beitritt zu der unter Konstantin Fehrenbach im Juni 1920 gebildeten Koalition von Zentrum und DDP beteiligte sich die DVP - trotz ihrer Vorbehalte gegenüber dem parlamentarischen System - erstmals an einer Reichsregierung. Knapp ein Jahr später zerbrach die Koalition, als namentlich die führenden Köpfe der DVP das Londoner Ultimatum der Alliierten zur Regelung der Reparationsfrage ablehnten, um nicht als "Erfüllungspolitiker" zu gelten.

Die Ära Stresemann

Im November 1922 beteiligte sich die DVP erneut an einer Reichsregierung. Sie bildete mit dem Zentrum, der DDP sowie mit der Bayerischen Volkspartei (BVP) die von dem parteilosen Wilhelm Cuno geführte "Regierung der Wirtschaft", der weitere parteilose "Fachminister" angehörten. Doch auch diesem Kabinett gelang es nicht, sich mit den Alliierten über die Frage der Reparationen zu verständigen und die inzwischen schon äußerst bedrohliche Inflation in den Griff zu bekommen. Als im Januar 1923 belgische und französische Truppen ins Ruhrgebiet einmarschierten, um mit der Besetzung des Ruhrgebiets ein "Faustpfand" für ihre Reparationsforderungen zu bekommen, proklamierte die Regierung Cuno den " passiven Widerstand", mit dem sie die galoppierende Inflation noch weiter anheizte. Ohne mit ihrer Politik des "passiven Widerstands" ein positives Ergebnis erzielt zu haben, mußte die "Regierung der Wirtschaft" im August 1923 zurücktreten. Ihr folgte am 13. August eine von Gustav Stresemann geführte Regierung der Großen Koalition von DVP, Zentrum, DDP und SPD, in der Stresemann zugleich das Amt des Außenministers wahrnahm.

Aus Protest gegen Stresemanns politische Zusammenarbeit mit der SPD und das von ihm am 26. September verkündete Ende des "passiven Widerstands" wanderten viele Mitglieder der DVP zur weiter rechts stehenden DNVP ab; die bayerische Staatsregierung reagierte auf die Einstellung des Ruhrkampfes gar mit der umgehenden Verhängung des Ausnahmezustands und unterstützte in der Folge offene Vorbereitungen paramilitärischer Verbände für einen bewaffneten " Marsch nach Berlin". Als Stresemann sich im eskalierenden Konflikt mit Bayern ebenso verfassungstreu zeigte wie gegenüber Umsturzversuchen der extremen Linken in Sachsen und Thüringen, entstand in seiner eigenen Partei eine förmliche Fronde gegen ihn. Auf Druck des rechten Flügels seiner Partei akzeptierte er schließlich nach einer Kabinettsumbildung den als Rechtsaußen bekannten Karl Jarres als Innenminister. Da die SPD auf dem Höhepunkt der innenpolitischen Krise der Regierung Stresemann im November 1923 das Vertrauen entzog, bildete der Zentrumspolitiker Wilhelm Marx eine neue Koalition aus Zentrum, BVP, DVP und DDP, der Stresemann weiterhin als Außenminister angehörte. Dieses Amt übte der "Vernunftrepublikaner" bis zu seinem Tode am 3. Oktober 1929 aus und setzte seine Politik der Verständigung mit den Alliierten gegen den Widerstand des rechten, der Schwerindustrie nahestehenden Flügels seiner eigenen Partei konsequent fort.

Doch trotz der außenpolitischen Erfolge Stresemanns - vom Dawes-Plan über die Konferenz von Locarno und den Beitritt Deutschlands zum Völkerbund bis zur Annahme des Young-Plans - und trotz der guten finanziellen Ausstattung durch die Industrie verlor die DVP nach 1920 kontinuierlich Stimmen an die DNVP, später auch an die NSDAP. Schon während der Inflationszeit hatten sich viele Wähler von der DVP abgewandt, für die Hugo Stinnes, der neben dem Staat größte Gewinner der Inflation, als Abgeordneter in den Reichstag eingezogen war. 

Die DVP versinkt in der Bedeutungslosigkeit

Ein noch größeres Glaubwürdigkeitsproblem bekam die wirtschaftsliberale Partei nach der Weltwirtschaftskrise; in der Wählergunst sank sie immer weiter ab. An den Folgen der Weltwirtschaftskrise zerbrach auch das Kabinett unter dem Sozialdemokraten Hermann Müller, der seit Juni 1928 eine Koalition aus SPD, Zentrum, BVP, DDP und DVP leitete. Um die Arbeitslosenversicherung finanziell zu konsolidieren, forderte die DVP - im Interesse der Arbeitgeber - eine Herabsetzung der Leistungen, während die SPD - im Interesse der Arbeitnehmer - eine Aufrechterhaltung der Leistungen durch eine Heraufsetzung der Beiträge forderte. Als sich der Fraktionsvorsitzende des Zentrums und Steuerexperte Heinrich Brüning der Position der DVP annäherte, erklärte Müller am 27. März 1930 den Rücktritt seines Kabinetts. Das Scheitern des Kabinetts hatten SPD, Zentrum und DVP bewußt in Kauf genommen. Mit ihrer Abwendung von der Sozialdemokratie wollten die beiden bürgerlichen Mittelparteien den rechtsextremen Flügelparteien DNVP und NSDAP den propagandistischen Wind aus den Segeln nehmen und den Weg für eine rechtskonservative Regierung freiräumen. Brüning, der nach einer Intervention des Generals Kurt von Schleicher beim Reichspräsidenten Paul von Hindenburg mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt wurde, strebte von vornherein keine parlamentarische Mehrheit an, sondern stützte seine Politik auf das Ansehen des Reichspräsidenten und dessen Notverordnungsrecht nach Artikel 48 der Reichsverfassung. Als die Reichstagsmehrheit am 18. Juli 1930 dem Antrag der SPD auf Aufhebung der Notverordnung zur "Sicherung von Wirtschaft und Finanzen" zustimmte, wurde das Parlament noch am selben Tag aufgelöst. Die Neuwahl vom 14. September 1930 brachte einen starken Gewinn für die KPD und einen sensationellen Anstieg für die NSDAP, deren Mandate von 12 auf 107 stiegen. Die DVP erreichte nur noch 4,5 Prozent.

Im Zuge der immer stärkeren Polarisierung zwischen der extremen Rechten und der extremen Linken vor dem Hintergrund einer schier unaufhaltsam emporschnellenden Arbeitslosigkeit suchte die DVP eine Annäherung an die "nationalistische Opposition", die sich im Oktober 1931 zur Harzburger Front formierte, doch mit dem fortschreitenden Machtverlust des Reichstags unter den Präsidialkabinetten und der Verlagerung des politischen Entscheidungsprozesses auf den Beraterkreis des Reichspräsidenten einerseits sowie der parteipolitischen Auseinandersetzungen auf die Straße andererseits blieb der DVP kaum eine Chance zur Darstellung eines eigenen Profils. Bei der Reichstagswahl vom 31. Juli 1932 fiel sie auf 1,2 Prozent zurück, bei der Reichstagswahl vom 5. März 1933 erreichte die DVP nur noch 1,1 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die politisch bedeutungslos gewordene Partei löste sich nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 27. Juni 1933 auf.

Burkhard Asmuss
8. Juni 2011

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